Conrad v. Stülpnagel
Der Berufssoldat

Bernd Kroemer (Windhoek) und Karl-Heinrich v. Stülpnagel (Leipzig)

Leopold, Hermann, Wichard Conrad v. Stülpnagel wurde am 20. August 1875, also vor rund 140 Jahren, als zweiter von 3 Söhnen des Rudolph v. Stülpnagel (1831-1900) und Margarethe, geb. v. Rochow (1850-1919) auf dem väterlichen Gut Sandberg I im Landkreis Zauch-Belzig geboren. Sein Vater Rudolph war Landrat dieses Kreises mit dem Patent eines Geheimen Regierungsrates.
Hier wuchs der junge Conrad auf, aufs engste verbunden mit dem großen Bruder Rudolf. Eine innige Verbundenheit fürs Leben.
1887 kam er in die Quarta des Kadettenkorps in Potsdam und zwei Jahre später Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde, auf der er 1893 das Fähnrichs- und ein Jahr später das Offiziersexamen ablegte. Aus der Selekta trat er mit Patent vom 22. März 1895 als Leutnant in das Garde-Schützen-Bataillon in Berlin-Lichterfelde ein. Mit Fug und Recht darf man behaupten, daß Conrad mit Leib und Seele Soldat war.
Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1900 musste das elterliche Gut Sandberg verkauft werden, keine leichte Entscheidung, hier hatte er eine wohlbehütete Kinder- und Jugendzeit im Kreise seiner Familie und mit seinen Brüdern verbracht.
Die weltweiten Kolonien des deutschen Kaiserreiches spielten in diesen Jahren eine große Rolle und fast täglich berichteten die Boulevardblätter aber auch Regierungspostillen über erfolgreiche Kolonialarbeit weit weg von Lichterfelde. Gesucht wurden Handwerker, Soldaten und Offiziere für den Dienst in der Ferne. Das Interesse war geweckt. Conrad ließ sich deshalb zu einer Ausbildung am Geodätischen-Institut in Potsdam und am Orientalischen Institut in Berlin kommandieren. Am 18. September 1901 wurde Conrad v. Stülpnagel der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika überstellt. Es folgte die Überfahrt in ein fremdes Land.
Seine Dienstzeit in der Feste Outjo, mit seinem festgefügten Pflichtenkreis, seiner großen Einsamkeit im kaum besiedelten Norden Südwestafrikas und der immerwährenden Notwendigkeit aus eigenstem Verantwortlichkeitsgefühl heraus handeln zu müssen, prägten den jungen Offizier nachhaltig.
Hier, in der Feste von Outjo, wurde die kleine Besatzung überrascht, als im Januar 1904 der „Hereroaufstand“ ausbrach. Ausführlich berichtet Conrad v. Stülpnagel in seinem Buch „Heiße Tage“ mit dem Untertitel „Meine Erlebnisse im Kampf gegen die Hereros“ (erschienen um 1905. Ein Reprint erschien 2010 im Glanz & Gloria Verlag, Windhoek, vertrieben über die NWG in Windhoek), über den Beginn des Aufstandes. Conrad schildert die organisatorischen Aufgaben die weit verstreuten Posten zu informieren, die Missionare aber auch die wenigen Farmer Weimann, Piaczek und Wendelow auf Karlshorst mussten gewarnt werden.
Dann am 16, Januar seine Teilnahme an einer Offizierspatrouille im Bezirk Okahandja, Richtung Waterberg. Es gibt die ersten Todesnachrichten von Frachtfahrern (Peter) und Farmern (Boettcher). Allen ist jetzt klar, die Lage ist ernst. „Stories“ machten die Runde, im Süden sei die deutsche Truppe durch die Namas eingeschlossen, der Gouverneur Leutwein sei erschlagen, Windhuk und Karibib seien in den Händen der Herero…Omaruru sei zerstört.
Neben den administrativen Aufgaben wurde die nächste Patrouille vorbereitet. Am 13. Januar war es soweit mit 60 Mann und zwei Geschützen rückt die Einheit ab, Richtung Omaruru. Bei Etaneno das erste größere Gefecht an dem Conrad teilnahm. Dann der zweite Einsatz am 24. Januar, Rast über Nacht bei Otjipaue. In der Nacht zum 25. Januar geht es Richtung Otjihinamaparero. Hier beim Gefecht um eine Wasserstelle, im dichten Busch wird Conrad durch Schüsse an Schulter und Oberarm schwer verletzt…kann nicht mehr am weiteren Gefecht teilnehmen.
Dazu schreibt Stabsarzt Dr. Philalethes Kuhn:
Während der Nacht und in den kühleren Morgenstunden des 26. Februar ging es den Verwundeten verhältnismäßig gut. Aber die Hitze wurde gegen Mittag sehr drückend. Die Verwundeten wurden unter kleine Dornbüsche gelegt, die den einzigen Schatten spendeten. Oberleutnant Freiherr von Schönau-Wehr und Leutnant von Stülpnagel lagen zusammen mit dem Oberassistenarzt Dr. Tiburtius und mir unter einem Baum. Wir versuchten durch Zeltbahnen den Schatten zu vergrößern, aber die beiden Offiziere baten, in eine der großen Hererohütten geschafft zu werden. Ich warnte wegen allerlei Ungeziefer, aber die Sehnsucht nach Kühle war zu groß, die beiden Herren wurden auf Tragbahren hineingesetzt. Es vergingen kaum 10 Minuten, da spazierten die Wanzen in Scharen auf ihren Decken, und der Rückzug nach dem Baum wurde schleunigst angetreten.
Major von Estorff hätte gern die Verwundeten mit einem Etappenposten auf dem Platz gelassen , um mit der Hauptmacht weiter vorzugehen; jetzt aber mußte er seine Einwilligung dazu geben, daß die Verwundeten nach Omaruru zurücktransportiert wurden und daß eine Bedeckung (milit. schützende Begleitmannschaft) von 20 Mann mitging.
Die Schwere seiner Verletzung machte es erforderlich, daß Conrad in die Heimat zurück musste. Aus Angst, als Invalide aus dem Militärdienst verabschiedet zu werden, ließ er kein Mittel unversucht, wieder einsatzfähig zu werden. Er lernte in Geduld mit der linken Hand schreiben und ließ sich in der Tucheler Heide in Topographie ausbilden und konnte den Beweis erbringen, daß er als Soldat noch etwas leisten konnte. Am 30. November 1905 hatte er sein Ziel erreicht… diensttauglich! Conrad wurde zu einem Feldvermessungstrupp nach Südwestafrika zurückversetzt, wo er neun Monate lang arbeitete und auch als Adjutant unter Oberstleutnant v. Estorff diehnte.
Wohl auf Grund der gehabten Verwundung sah Conrad sein militärisches Fortkommen in der Schutztruppe als aussichtslos an und kehrte im April 1909 über Deutsch-Ostafrika, Ägypten, Griechenland, Türkei und Serbien in die Heimat zurück, wo er in das Garde-Jäger-Bataillon in Potsdam versetzt wurde. Ausgezeichnet mit dem Preußischen Kronenorden IV. Klasse mit Schwertern, und dem Ehrenritterkreuz II. Klasse mit der silbernen Krone und Schwertern, sowie des Großherzoglich Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens, übernahm Conrad hier am 23. März 1910 als Hauptmann die 4. Kompagnie.
Am 6. Juli 1911 vermählte sich Conrad in Heidersdorf, Kreis Laubahn (heute Polen) mit Erika v. Eichel, Tochter des Königlich Preußischen Kammerherrn und Rittmeisters a.D. Georg v. Eichel, Herr auf Heidersdorf, und Thekla, geb. v. Brauchitsch. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Mechthild, Jürgen und Marline. Jürgen v. Stülpnagel hatte wiederum drei Töchter, so daß der Zweig im Mannesstamme ausstarb.
Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs musste Conrad seine aktive Kompagnie abgeben und rückte mit der 4. Kompagnie des Garde-Reserve-Jäger-Bataillions aus. Zunächst machte er den Vormarsch im Westen bis Namur (Belgien) mit und dann, als das Garde-Reservekorps nach dem bedrängten Ostpreußen geworfen wurde, die Kämpfe bei Lyck und den Masurischen-Seen. Es folgten im Herbst der weitere Vormarsch, die Belagerung von Iwangorod, dann die Rückzugskämpfe auf die schlesische Grenze. Am 2. Oktober erhielt Conrad v. Stülpnagel das Eiserne Kreuz II. Klasse.
Im November wurde er bei den Kämpfen bei Zarki durch einen Granatsplitter am Oberkiefer verwundet, es folgten Heimaturlaub wo er die Seinen nochmals sehen konnte, auch den geliebten Bruder Wichard, der noch vor ihm den Heldentod fand.
Nach den folgenden schweren Kämpfen wurde Conrad zum Eisernen Kreuz 1. Klasse vorgeschlagen, das er am Heiligabend 1914 erhielt. Am 18. Juni 1916 wurde Conrad Kommandeur des Garde-Reserve-Jäger-Bataillions. Jetzt folgten die langen Stellungskäpfe bis Juli 1917. Dann Verlegung nach Ostgalizien, Bukowina und Kämpfe bei Czernowitz.
Im September weilte Conrad, der inzwischen mit dem Hausorden von Hohenzollern mit Schwertern ausgezeichnet war, zum letzten Mal auf Urlaub bei seiner Familie. Hier erfreute er sich an seinem dritten Kind Marline, die im Februar in Potsdam geboren war und dessen Taufe der glückliche Vater miterleben durfte.
Am 7. Oktober ging es zurück zu seinem Bataillion, welches nach Kärnten verschoben war. Siegreiche Kämpfe folgten sowie der Vormarsch bei Gemona. In den Bergen bei Ortona ereilte ihn sein Schicksal. In diesen schweren Käpfen gegen eine versprengte italienische Brigade fiel Conrad am 5. November 1917, als er im Augenblick der größten Gefahr durch seinen persönlichen Einsatz die Bataillionsstellung gegen die italienische Übermacht hielt. In Pielungo bei Ortona fand er seine letzte Ruhestätte.
Nachfolgend einen Ausschnitt aus einem Aufsatz über den Tod, damals nannte man das Heldentod, Conrads v. Stülpnagel, erschienen im „Blatt des Deutchen Jägerbundes“, vom 15. Oktober 1937:
Alles kommt darauf an, die Stellung zu halten, den Jägern bis zum Eintreffen von Verstärkung moralischen Halt in den schweren Verlusten und erschütterndem überlegenen Gewehr- und Maschinengewehrfeuer zu geben. Immer dichter und näher schieben sich unter lauten „Avanti-Rufen“ die Linien der Italiener heran. Aufrecht in der Schützenlinie stehend, das Einglas am Auge, den Reitstock in der Hand, ermahnt Major von Stülpnagel, als wäre es eine Übung auf dem Bornstedter Feld, die Jäger, Ruhe zu bewahren, einzelnen anscheinend nervösen Jägern tippt er mit dem Stock auf die Schulter und spricht ihnen besonders zu.
Da fährt er hoch und zusammen, greift mit der Hand nach der Brust, eine hastige Frage: „Wo sitzt der Schuss?“, und inmitten seiner Jäger, für die er ein leuchtendes Vorbild war, stirbt er den Tod, der ihn bisher so oft gemieden hatte!

Fotos: Glanz & Gloria Verlagsarchiv: 1; 2; 3; 4; 5; 7; 8; 9; 10; 11; 12; 14; 15;
Wissenschaftliche Gesellschaft Swakopmund: 6; 13;
Karl-Heinrich v. Stülpnagel: 16; 17;
Wikipedia: 18

 

Bibliographie:
Geschichte des Geschlechts von Stülpnagel. Im Auftrage des v. Stülpnagel´schen Familienverbandes auf Grund von Urkunden und Familiengeschichten, bearbeitet von Werner v. Kickebusch-Potsdam. Verlag „Die Wehrmacht“ GmbH, Berlin 1938.

Biografie „Conrad v. Stülpnagel (1875 – 1917), erstellt von Karl Heinrich v. Stülpnagel, in: Heiße Tage. Glanz & Gloria Verlag, Windhoek 2010.

Blatt des Deutschen Jägerbundes (Verlag Berlin SW 11) vom 15. Oktober 1937,
Aufsatz „Die Tage von Pielungo (italienicher Kriegsschauplatz 1917).

Conrad von Stülpnagel: Heiße Tage. Meine Erlebnisse im Kampf gegen die Hereros“,
Verlag Richard Eckstein Nachfolger, Berlin.

Conrad von Stülpnagel: Heiße Tage. Überarbeitet, mit Fotos sowie einem Register versehen, von Bernd Kroemer, Glanz & Gloria Verlag, Windhoek 2010.

Friedrich Freiherr von Dincklage-Campe: Deutsche Reiter in Südwest. Deutsches Verlagshaus Bong & Co.

Ludwig von Estorff: Wanderungen und Kämpfe in Südwestafrika, Ostafrika und Südafrika 1894-1910, Herausgegeben von John Meinert (PTY) LTD.

Karl Heinrich v. Stülpnagel, Leipzig – Bernd Kroemer, E-Postverkehr 2009 und 2010.
Karl Heinrich v. Stülpnagel, Leipzig – Bernd Kroemer, E-Postverkehr Mai 2015.